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      Kapitel 7

      Von der lokalen Schutzmarke zur Global Brand – Marke und Marketing in der Continental-Geschichte

      Ein Symbol ist bei Continental überall zu finden – ob auf den Produkten, der Mitarbeiterzeitschrift, einer Werbebroschüre oder dem Geschäftsbericht: Das springende Pferd, sei es als Wort-Bild-Marke in Kombination mit dem Schriftzug Continental oder als Icon, eingefasst in zwei Kreise mit dem Schriftzug „Continental – Since 1871“. Auf einer Fachbroschüre im Jahr 1875 verwendete ein Tierarzt aus Hannover erstmals dieses Symbol. In dieser Broschüre beschrieb er seine neueste Erfindung: Hufpuffer aus Weichgummi für Pferde. Zur damaligen Zeit war diese Erfindung eine kleine Sensation. Denn sie sorgte in einer Zeit, in der Pferde noch eine wichtige Rolle für die Mobilität spielten, für Abhilfe bei diversen Problemen: Durch die Hufpuffer kam es an den Hufen der Pferde zu weniger Fehlbildungen. Sie schützten zudem vor Verletzungen und erhöhten die Trittsicherheit der Pferde auf glatten Oberflächen. Diese Hufpuffer hatte der Tierarzt in Zusammenarbeit mit Continental entwickelt, wobei das Unternehmen auch die Produktion und den Vertrieb organisierte. Aus diesem Grund waren auch alle produzierten Hufpuffer mit dem springenden Pferd als Markenzeichen gekennzeichnet. Im Frühjahr 1876 meldete Continental beim Landgericht Hannover schließlich die Marke für Pferdehufpuffer aus Kautschuk an. Von diesem Zeitpunkt an wurde das Merkenzeichen schrittweise auch für andere Continental-Produkte verwendet und im Oktober 1882 für alle Weichgummierzeugnisse angemeldet. Zwölf Jahre später ließ sich Continental das Markenzeichen schließlich deutschlandweit schützen. Damit war das springende Pferd nun fester Bestandteil der Außendarstellung von Continental. 

      Für die Wahl des Pferdes als Markenzeichen spielten neben den Hufpuffern vor allem zwei Tatsachen eine wichtige Rolle: Zum einen hatte das Pferd in der Region Hannover eine lange Tradition, zum anderen war es als politisches Symbol bereits seit Jahrhunderten bekannt und verbreitet. Bereits seit dem frühen Mittelalter führten zahlreiche Herrscher das Pferd in ihren Wappen. Auch heute ist das Pferd noch Teil des niedersächsischen Wappens. Die Verwendung des springenden Pferdes auf den frühen Continental-Produkten stand somit nicht nur für Qualität, sondern auch für die Regionalität der Produkte. 

      Zusätzlich schaffte die Verwendung eines einheitlichen Symbols einen großen Wiedererkennungswert der Marke. Das war wichtig, um als Unternehmen wahrgenommen zu werden und um sich von Wettbewerbern abzugrenzen. Aus diesem Grund kam das Pferd auch in der Werbung für Continental-Produkte intensiv zum Einsatz und wurde bei allen Neuausrichtungen der Marke und des Unternehmens stets berücksichtigt. 

      Die Continental-Farbe und Markenstrategie

      Neben dem Namen „Continental“ und dem Pferd ist auch die Farbe ein wesentliches Element der Unternehmensidentität. Seit dem Jahr 1907 waren sämtliche Werbeplakate des Unternehmens in blau-gelb gehalten und prägten so die Außendarstellung des Unternehmens und seiner Produkte. Ab Mai 1934 waren diese Farben ebenfalls als Bestandteil der Marke eingetragen und somit markenrechtlich geschützt. 

      Bis ins Jahr 1977 blieb diese Farbgebung unverändert bestehen, bevor eine grundlegende Überarbeitung des gesamtes Markenauftritts folgte. Im Zuge dessen entstand auch erstmals eine detaillierte und unternehmensweit verpflichtende Richtlinie zur Verwendung von Schriftzug und Icon. Diese festgeschriebene Wortbildmarke prägt den Markenauftritt der Continental bis heute. Mit der Überarbeitung des Logos wurde auch die etablierte Farbgebung angepasst: Fortan prägte ein warmes, leuchtendes Gelb die Identität des Unternehmens. 

      Als sich Continental im Laufe der 1980er Jahre durch diverse Fusionen von einem Ein-Marken-Unternehmen zu einer Mehr-Marken-Unternehmensgruppe entwickelte, wurde die Farbgebung vorübergehend geändert. Das Ziel: Den Konzern in seinem äußeren Erscheinungsbild von der traditionellen Reifenmarke zu trennen. Die damalige Hauptversammlung entschied sich deshalb für eine neue Typographie in den Farben Türkis und Grün. Doch bereits 1997 wurde diese Trennung zwischen Konzern- und Produktmarken wieder rückgängig gemacht und die gelbe Farbgebung als zentrales Element wiederbelebt. 

      Echo Continental als Werbemedium

      Werbung spielte für Continental seit jeher eine große Rolle. So nutzte das Unternehmen zahlreiche Medien und Formate, um für seine Produkte zu werben: Von Zeitungsanzeigen über Häuserfassaden, Radrenntrikots und Postkarten bis hin zu ersten Zeichentrickfilmen war alles vertreten. Eines der populärsten Werbemedien war sicherlich das Kundenmagazin Echo Continental, das zwischen 1913 und 1941 erst monatlich und dann quartalsweise erschien. Von anfänglich rund 241 Ausgaben stieg die Auflage in den 1930er Jahren schnell auf über 100.000 Exemplare. Eine eigene Redaktion innerhalb der Continental-Werbeabteilung stellte die Ausgaben zusammen und beauftragte teilweise namhafte Werbegrafiker, Schriftsteller und Fotografen der Zeit mit den Inhalten. 

      Ein wichtiges Element für den Erfolg des Magazins war vor allem seine umfassende Sportberichterstattung. Von Fußball und Tennis, über die frühen Automobilrennen und Radrennen, bis hin zu den ersten Wettbewerben im Bereich der Luftfahrt wurde in der Echo Continental alles mit Fotos illustriert. Bei jedem Bericht vermerkten die Redakteurinnen und Redakteure, welche Continental-Produkte in den Wettbewerben zum Einsatz kamen und welche Lösungen das Unternehmen für die jeweilige Sportart im Programm hatte. Das war für das Unternehmen von großer Bedeutung, da Konsumartikel einen großen Teil des Gesamtumsatzes ausmachten. In der Werbung wurde daher aufwändig dokumentiert, bei welchen Gelegenheiten sich Continental-Produkte in Wettbewerbssituationen bewährt hatten. So überzeugte man auch Amateure von der Qualität der Tennisbälle, Fußballblasen oder Fahrradreifen. 

      In den 1920er Jahren spielten in den Artikeln der Echo Continental auch Frauen eine große Rolle: Das Magazin berichtete beispielsweise, wie sich Frauen im Sport und der Automobilwelt zunehmend durchsetzten. Das dabei skizzierte Frauenbild war für die damalige Zeit durchaus progressiv. Nahezu in jeder Ausgabe erschienen Artikel mit ausdrücklich an Frauen adressierten Hinweisen. Informationen über den Führerscheinprozess, technische Hinweise zum Automobil sollten explizit Frauen dazu motivieren, sich selbst hinter das Steuer zu setzen. Auf diese Weise avancierte die Beherrschung eines Automobils zur Voraussetzung für die Emanzipation, Selbstständigkeit und Unabhängigkeit der Frau. Zusätzlich machten die Autorinnen und Autoren des Echo Continental in diesen Jahren deutlich, dass Autofahrerinnen nicht einfach nur als potenzielle Kundinnen für Reifen oder modische Gummibekleidung gesehen wurden. Mobilisierung war für Continental auch ein Dienst an der Gesellschaft und die emanzipierte Frau das erklärte Ziel. Bekannte Fahrerinnen als Markenbotschafterinnen unterstrichen diese Haltung zusätzlich. Hierzu zählten beispielsweise Schauspielerinnen, die eigene Automobile besaßen und diese selbst fuhren, professionelle Rennfahrerinnen wie Hanni Köhler, die Gründerinnen des Deutschen Damen Automobilclubs e. V. oder Luise Otto, die erste Fahrlehrerin in Deutschland. 

      Doch Continental verstand sich jenseits der Gummiprodukte nicht nur als Wegbereiter von Mobilität, Freiheit und Emanzipation der Frau, sondern als solcher für die ganze Gesellschaft: Denn individuelle Mobilität war zum damaligen Zeitpunkt für große Teile der Bevölkerung noch nicht erschwinglich. Das änderte sich jedoch mit dem fortlaufenden Fortschritt in der Reifentechnologie. Und so entwickelte sich das Automobil zu einem Mittel der Emanzipation, wie bereits das Fahrrad vor ihm. Die damit verbundene Mobilität und die Freiheit zum selbstständigen und individuellen Reisen waren zugleich Ausdruck einer gesellschaftlichen Modernisierung. Für Continental war das eine Vision, die man gezielt unterstützte. 

      Den Aufstieg zu einem der wichtigsten Werbeformate hat das Kundenmagazin auch dem Humor zu verdanken. Zwischen den Berichten fanden sich immer wieder auch Karikaturen, teilweise von namhaften Künstlern der Zeit. In den Jahren 1925 bis 1929 veröffentlichte beispielsweise der britische Cartoonist William Heath Robinson eine Serie von Zeichnungen im Echo Continental. Dabei wurden den Leserinnen und Lesern auf der einen Seite sachliche Informationen präsentiert, während auf der anderen Seite die dazugehörige Karikatur abgebildet war. Verpackt in diesem lustigen Kontext war diese Art von Werbung deutlich effizienter als eine konventionelle Werbeanzeige an derselben Stelle. 

      Werbefiguren

      Im Laufe der Zeit versuchte die Continental-Werbeabteilung auch immer wieder, eine populäre Werbefigur zu etablieren. Das gelang allerdings nur mit mäßigem Erfolg, sodass die Darstellungen häufig wechselten. Zu den entworfenen Werbefiguren zählten beispielsweise „Pneumos“, der Schutzgeist für in Not geratene Autofahrer, oder die Figur „Herr Conti“. Letztere war ein lebendig gewordener Reifen mit Gesicht, Armen und Beinen, die über eine bemerkenswerte Vielfalt an Kostümen und Fähigkeiten verfügte. So gab „Herr Conti“ den Leserinnen und Lesern beispielsweise nützliche Hinweise zu Continental-Produkten in der Erkältungszeit und hatte stets die neueste Ausgabe des Continental-Handbuchs parat. 

      Eine weitere Werbefigur der Continental war eine Art Landstreicher oder Gelegenheitsarbeiter, der an die im englischen Sprachraum verbreitete Figur des „Tramp“ erinnerte. Sie vermittelte Freiheit und die Unabhängigkeit von gesellschaftlichen Konventionen und bot so eine gewisse Identifikationsmöglichkeit für die Kundinnen und Kunden. Aus diesem Grund blieb die Figur der Continental lange erhalten. 

       

      Moderne Werbeformate

      Was die Mobilität im frühen 20. Jahrhundert prägte, waren vor allem schlechte Straßen sowie Fahrten in der näheren Umgebung. Entsprechend existierten kaum Wegweiser oder Hinweisschilder für ortsfremde Fahrerinnen und Fahrer auf den Straßen. Zudem erforderte das Fahren eines Automobils ein erhebliches technisches Know-how. Man musste jederzeit in der Lage sein, während der Fahrt aufkommende Schwierigkeiten zu beheben – von der Reifenpanne bis hin zur Einstellung des Motors oder des Fahrwerks. Da sich im Laufe der Zeit immer mehr Menschen hinter das Steuer wagten, beschloss Continental, diese Entwicklung mit Produkten und Dienstleistungen zu unterstützen. Ein umfangreiches Portfolio an Beratungsliteratur sollte nicht nur die Einstiegshürden senken, sondern die Fahrerinnen und Fahrer bei Herausforderungen aller Art an die Hand nehmen. Ein großes Portfolio an Kleidung, Zubehör und Werkzeug sorgte für die notwendige Ausrüstung. Zusätzlich errichtete Continental im Jahr 1911 in der Unternehmenszentrale in Hannover eine eigene Reiseauskunft. Über das „Continental-Touring-Office“ konnten sich Autotouristen kostenlos Reisepläne ausarbeiten und zuschicken lassen. Ebenfalls auf eigene Faust nahm sich Continental der unzureichenden Beschilderung des Straßennetzes an und installierte kurzerhand eigene Wegweiser. Diese Schilder waren im Continental-Farbton gestaltet und warben für das Unternehmen. Auf diese Weise konnte sich Continental als Mobilitätsdienstleister und ganzheitlicher Partner des Autofahrers positionieren. 

      Ein weiterer Bereich, in dem Continental seit dem 19. Jahrhundert aktiv war und die eigenen Produkte bewarb: der Sport. Mit der steigenden Popularität des Fahrrads im Alltag wurde auch der Fahrradsport immer bedeutender. In vielen Orten entstanden Radrennbahnen. Auf europäischen Straßen wurden zahlreiche Rennen ausgetragen. Eben dort warb Continental über Bandenwerbung oder auf Radtrikots. Das Unternehmen unterstützte dabei sowohl die frühen Stars am Radsporthimmel als auch Amateurfahrer und -wettbewerbe. Mit der zunehmenden Verbreitung des Automobils entdeckte die Continental-Werbeabteilung auch Motorsport-Wettbewerbe als ideales Werbemedium für sich. Auf diese Weise wurde das Unternehmen zum Vorreiter beim modernen Sportmarketing. Die Bedeutung des Rennsports als Werbemedium für Continental blieb auch in den Folgejahren erhalten. So kamen bei zahlreichen Auto-, Fahrrad- und auch Motorradrennen Continental-Produkte zum Einsatz. In der Saison 1954/55 rüstete Continental sogar die ersten Formel-Eins-Fahrzeuge von Mercedes mit Reifen aus. 

      Fazit 

      Während seiner 150-jährigen Unternehmensgeschichte entwarf Continental vielfältige Werbeaktivitäten. Der Stil und die Medien dieser Werbung spiegeln dabei nicht nur das Selbstverständnis des Unternehmens wider, sondern waren und sind stets Spiegel der technischen und gesellschaftlichen Entwicklungen. 

      Historische Bilder