100 Jahre Tachograph
Kaum ein anderes Instrument im Nutzfahrzeugcockpit hat den Alltag auf den Straßen Europas so verändert wie der Tachograph. Durch ihn wurden der Wettbewerb in der Transportlogistik fairer, die Arbeitsbedingungen für das Fahrpersonal sicherer und das Management von Flotten immer effizienter. Und das schon seit 100 Jahren. Denn so weit reicht die Geschichte des VDO-Fahrtenschreibers zurück. Seine Wurzeln liegen im Schwarzwald, genauer gesagt in Villingen, wo auch heute noch 1.300 unserer Continental-Kolleginnen und -Kollegen unter anderem die neuesten Modelle des Tachographen, den DTCO, fertigen. Hier erfand Dr. Herbert Kienzle, der Vater der VDO-Tachographen, vor genau 100 Jahren die Autorex-Uhr in der Kienzle Uhrenfabrik.
Das nötige Wissen für die Entwicklung eines so feinfühligen Instruments fand Kienzle in der eigenen Familie. Er entstammt einer Schwenninger Uhrmacherdynastie, das Wissen um die Wichtigkeit von Präzision und das Gefühl für das Messen von Zeiten, Strecken und Geschwindigkeiten waren ihm also in die Wiege gelegt. Seither hat sich der Tachograph stetig weiterentwickelt, und er unterstützt Fahrerinnen und Fahrer, Flottenbetreiber sowie Behörden bei der Einhaltung und Kontrolle von Regeln und Gesetzen. Die Wandlung, die der Fahrtenschreiber dabei im letzten Jahrhundert hin zum zentralen Compliance Instrument im Güterverkehr durchlaufen hat, möchten hier in Auszügen nachzeichnen. Die Reise ist aber noch lange nicht zu Ende. Bei Continental werden wir weiter mit Leidenschaft für Präzision und in der Tradition der Kienzle Uhrenfabrik an der Zukunft des Tachographen arbeiten – für hoffentlich weitere 100 Jahre.
1923
Erste Regeln für den Güterfernverkehr
Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gab es noch keine spezifischen Verkehrsgesetze für Kraftfahrzeuge: Das Auto war als Luxusgut den Reichen und Mächtigen vorbehalten, und sie mussten sich schlicht an die Regeln halten, die auch für Pferdefuhrwerke galten. Als dann aber Anfang der 1930er-Jahre auch der Lieferverkehr immer weiter motorisiert wurde und die Zahl der Lastwagen auf den Straßen Deutschlands stieg, war es Zeit für ein erstes „Gesetz über den Güterfernverkehr mit Kraftfahrzeugen“. Es wurde 1935 verabschiedet und sah unter anderem vor, dass Transportunternehmen und Spediteure staatlich zugelassen werden und dem „Reichs-Kraftwagen-Betriebsverband“ beitreten mussten. Dieser kümmerte sich unter anderem darum, dass die Transporttarife eingehalten wurden. Bei Verstößen winkten umfangreiche Sanktionsmöglichkeiten bis hin zum Konzessionsentzug. In den Jahren bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs wurden weitere Verordnungen verabschiedet, die auch den Güterverkehr betrafen: Die Arbeitszeitverordnung des Reichsarbeitsministeriums machte es zur Pflicht, ein Fahrtenbuch zu führen – oder alternativ einen Fahrtenschreiber ins Fahrzeug einzubauen. Und die „Verordnung über den Betrieb von Kraftfahrzeugunternehmen im Personenverkehr“ schrieb ab 1939 die Nutzung eines Tachographen in allen Omnibussen im Gelegenheitsverkehr vor.
1927: Der erste seiner Art
1933: Der eichfähige Nachfolger
1935: Ein Serienhit
1936: Der TCO 7
1952: Jetzt auch offizielles Kontrollinstrument
1952 kam der TCO 8 auf den Markt, in dem die Geschwindigkeitsskala wesentlich vergrößert und damit übersichtlicher gestaltet war. Neben der klassischen Ein-Tag-ein-Fahrer-Ausführung wurde der Fahrtenschreiber auch als automatisches Sieben-Tage-Gerät, mit einem Wechselzähler sowie einer Fahrerwechselregistrierung angeboten. So musste die Diagrammscheibe nicht jeden Tag gewechselt werden, wenn eine Fahrerin oder ein Fahrer eine ganze Woche im selben Fahrzeug unterwegs war. Auch Geschwindigkeitswechsel behielt das Gerät in Abständen von 10 km/h im Auge und gab damit Auskunft über die Fahrweise: Je weniger Wechsel bei gleicher Fahrstrecke, desto gleichmäßiger und damit ressourcenschonender war die Fahrt.
1974: Der erste Europäische Tachograph
Die wichtigste Weiterentwicklung des Kienzle-Tachographen in den 1970er-Jahren war der TCO 1311 – der erste Fahrtenschreiber, der nach den speziellen Anforderungen der aktuellen EWG-Verordnung konzipiert und in der gesamten Europäischen Gemeinschaft eingesetzt werden konnte und sollte. Er wurde erstmals auf der IAA 1973 vorgestellt und ging Mitte 1974 in Serienfertigung, rechtzeitig vor den vorgegebenen Umstellfristen. Der EC-Tachograph zeichnete neben der Wegstrecke und Geschwindigkeit auch die Arbeits-, Lenk-, Ruhe- und Präsenzzeiten sowie deren Unterbrechungen auf.
Und er registrierte jede Gehäuseöffnung, sodass auch der Zugriff auf die Diagrammscheiben lückenlos nachvollzogen werden konnte. Auch technisch machte der TCO 1311 einen Schritt vorwärts und profitierte von einem Impulsgeber, der am Getriebestutzen angebracht war und die mechanische Drehbewegung des Motors elektronisch an den Fahrtenschreiber weitergab – mit positiven Effekten auf die Messgenauigkeit. Dieser Kienzle Tachograph Sensor (KITAS) wird auch heute noch genutzt. Zudem war durch die nun fehlende Welle der Geräteeinbau wesentlich leichter.
1992: Rund ist out, flach ist in
Anfang der 1990er-Jahre näherte sich der Fahrtenschreiber aus dem Schwarzwald seiner heutigen flachen Form an: Als Flachtachograph FTCO 1319 konnte er ab 1992 problemlos im Armaturenbrett eines Nutzfahrzeugs integriert werden. Anstatt unter einem Deckel verschwand die Diagrammscheibe nun über einen Einzugsmechanismus im Tachographen und wurde dort in die richtige Position gebracht.
Das digitale Zeitalter beginnt
Die IAA 1997 markierte einen wichtigen Wendepunkt in der Geschichte der Tachographen. Zum einen war mit dem dort vorgestellten modularen Fahrtenschreiber MTCO 1324, der in das genormte Radiofach passte, die alte Rundform endgültig passé – Fahrzeugdesignerinnen und -designer freuten sich auf die neue kreative Freiheit. Auch das digitale Zeitalter begann mit der Anzeige aller Fahrdaten über ein digitales Display – damit war die Trennung zwischen Aufzeichnungs- und Anzeigegerät vollzogen. Aber auch für die Diagrammscheibe als mechanisches Speichermedium waren die Tage gezählt. Neben dem MTCO präsentierte das Unternehmen nämlich zusätzlich eine erste Version des digitalen Fahrtenschreibers DTCO, der allen geplanten, in der neuen EG-Verordnung festgelegten Vorgaben entsprach. Auf ihm wurden die Daten von bis zu zwölf Monaten auf einem Chip gespeichert.
2006: Vollständiges Computer System im Radioformat
Die erste Generation des digitalen Tachographen DTCO ist ein vollständiges Computersystem mit integriertem Display für die Menü- und Bedienerführung, Drucker, Echtzeituhr, frontseitigen Prüf-, Diagnose- und Info-Schnittstellen, CAN-Schnittstelle sowie Schnittstellen für den Anschluss des Kombiinstruments. Seit 2006 auf dem Markt ist er auch heute noch weit verbreitet. In ihm werden alle Angaben über Fahrerinnen und Fahrer sowie Fahrten auf einem geräteinternen Massenspeicher mit einer Kapazität von bis zu einem Jahr gesichert. Zusätzlich werden fahrerbezogene Daten, wie die Arbeits-, Lenk- und Ruhezeiten, auf Chipkarten für einen Zeitraum von 28 Tagen festgehalten. Für alle nötigen Kontrollprozesse ist der Zugriff auf die Tachographendaten klar geregelt: Fahraktivitäten, Ereignisse, Störungen und Fahrzeugwechsel werden auf der Fahrerkarte gespeichert. Eine Unternehmenskarte erlaubt das Auslesen der Fahrzeugdaten aus dem Massenspeicher sowie der Daten aus gesteckten Fahrerkarten. Kontrollkarten ermöglichen Behörden den Zugriff auf gesetzesrelevante Informationen. Und Werkstätten können zu Test- und Prüfzwecken über eine spezielle Werkstattkarte die Kalibrierfunktion des digitalen Tachographen freischalten.
2019: Die intelligente Generation
Seit 2019 ist mit dem DTCO 4.0 die zweite Generation des digitalen Tachographen von VDO auf dem Markt, auch als intelligenter Tachograph bekannt. Er verfügt neben einer umfangreichen Datenerfassung und einem erhöhten Datenschutz unter anderem über die GNSS-Positionsbestimmung (Global Navigation Satellite Systems). Mittels DSRC-Fernkommunikation (Dedicated Short Range Communication) können Kontrolldaten auch im Vorbeifahren abgerufen werden. Sein Nachfolger, der DTCO 4.1, feiert im Jahr 2023 seine Premiere – genau 100 Jahre nachdem die Autorex-Uhr im Schwarzwald zum ersten Mal die Fahr- und Haltezeiten eines Nutzfahrzeugs festhielt. Neben den klassischen Tachographendaten wie Arbeits-, Lenk- und Ruhezeiten etc. wird dieser Fahrtenschreiber nicht nur Grenzübertritte automatisch erfassen und dadurch insbesondere Kabotagefahrten und Entsendungen von Fahrerinnen und Fahrern besser dokumentieren können. Mit ihm wird auch die Basis gelegt für viele weitere Funktionen, von der Ladungskontrolle über die optimierte Frachtallokation bis zur harmonisierten europäischen Mautabrechnung – eben ein wirklich intelligenter Tachograph.
2023: Intelligenter Tachograph Pflicht in der Europäischen Union
Ab August 2023 muss in allen neu zugelassenen Nutzfahrzeugen ein intelligenter Tachograph der zweiten Version verbaut sein. Pünktlich zum Stichtag am 21. August 2023 stattet Continental die ersten Nutzfahrzeuge mit dem DTCO 4.1, dem neuen intelligenten Tachographen der zweiten Version, aus und startet damit eine dreijährige, durch das EU-Mobilitätspaket 1 vorgegebene Aus- und Umrüstungskampagne.
VDO - Eine Marke von Continental
Continental hat ein 40-seitiges Booklet über die Geschichte des VDO-Tachographen - pdf (13,78MB) mit Details, Hintergrundinformationen und Experteninterview herausgegeben, das als PDF-Datei heruntergeladen werden kann. Auch eine Webversion mit noch mehr historischen Fakten und Anekdoten gibt es. Erfahren Sie mehr über die Geschichte des VDO-Tachographen.
(Stand: September 2023)