Abbiegen in Richtung Sicherheit
Abbiegen in Richtung Sicherheit
Jeder Unfall ist einer zu viel: In Zeiten immer komplexeren Verkehrs mit immer mehr Verkehrsteilnehmern helfen moderne Abbiege-Assistenzsysteme, Leben zu retten.
Unfälle als traurige Realität
Leider ist immer wieder von furchtbaren Unfällen zu lesen, bei denen Menschen schwer verletzt werden oder sogar zu Tode kommen. Was lässt sich tun, um dies zu ändern? Um verlässliche Lösungen entwickeln zu können, sind belastbare Zahlen erforderlich. Gerade die langfristige Perspektive verdeutlicht, dass sich zwar vieles verbessert hat, doch dass der Handlungsbedarf weiterhin groß ist.
Den traurigen Rekord hält das Jahr 1970, als allein in Deutschland 21.332 Menschen im Straßenverkehr ihr Leben verloren.
Diese Zahl ist in den letzten Jahrzehnten bis 2017 stetig gefallen – 3180 im Straßenverkehr Verstorbene markierten den niedrigsten Stand seit 1950.
Doch nun ist diese Zahl sogar wieder leicht angestiegen: Wie das Statistische Bundesamt in Wiesbaden mitteilte, sind 2018 bei Verkehrsunfällen in Deutschland insgesamt 3.275 Menschen verstorben. Und die Zahl der Verletzten stieg um 1,5 Prozent auf 396.000 Menschen.
Die Ursachen hinter diesen erschreckenden Zahlen sind vielfältig: So kommen immer mehr Fahrzeuge auf die Straßen, neue Verkehrsteilnehmer wie E-Scooter und Pedelecs verändern die Mobilitätsgewohnheiten und immer wieder sind Verkehrsteilnehmer durch Smartphones oder Kopfhörermusik abgelenkt.
Wo die meisten Unfälle geschehen
Weiter zeigt die Statistik: 69 Prozent der Unfälle ereignen sich innerhalb von Ortschaften, während der Unfall-Anteil auf Landstraßen nur 24,3 Prozent betrug – doch auf diese entfielen 57 Prozent aller tödlichen Unglücke. Vergleichsweise sicherer sind die Autobahnen, auf denen insgesamt 6,7 Prozent aller Unfälle registriert wurden, bei denen es zu Verletzten kam. Insgesamt ist die Zahl der getöteten Autoinsassen deutlich, und zwar um 22,6 Prozent gesunken. Auch bei Fußgängern und Motorradfahrern ließen sich erfreulicherweise leichte Rückgänge verzeichnen. Doch vor allem eine Zahl ist alarmierend: Die Zahl der im Straßenverkehr zu Tode gekommenen Fahrradfahrer stieg um 16,8 Prozent an.
Besonders gefährdet sind Radfahrer
Ein weißgestrichenes Fahrrad am Straßenrand, gelegentlich geschmückt von Blumen – das sieht man leider und gerade in Ballungszentren viel zu oft. Diese sogenannten Ghost Bikes sind Mahnmale für an dieser Stelle im Straßenverkehr tödlich verunglückte Radfahrer. Die Idee dazu entstand im Jahr 2003 in St. Louis, Missouri, und hat sich mittlerweile über die ganze Welt verbreitet: Offensichtlich sind die Risiken für Radfahrer ein globales Problem. Allein in Deutschland sind laut einer Studie der Unfallforscher der Versicherer (UDV) etwa ein Drittel der jährlich im Straßenverkehr getöteten Radfahrer Opfer von Abbiegeunfällen. Dazu stellte der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e. V. fest: „Während Pkw-Insassen von der immer besseren Fahrzeugtechnik profitieren, gab es für die Sicherheit von Radfahrerinnen und Radfahrern bisher kaum Verbesserungen.“ Ebenso weist der Verband auf die große Gefahr durch abbiegende Lkw und PKW hin: Er fordert von der Bundesregierung „verpflichtende Abbiege- und Notbremsassistenten zum Schutz von Radfahrenden, physisch geschützte Radwege und Kreuzungen nach niederländischem Vorbild und separate Ampelschaltungen für den Radverkehr“.
Vor allem die Politik ist in der Pflicht
Das Abbiegen soll sicherer werden: Die Technologien dafür sind längst vorhanden und werden beständig optimiert. Endlich hat nun auch die Politik gehandelt, um Hersteller in die Pflicht zu nehmen: So ist im Lkw-Bereich der Einbau von Abbiegeassistenten ab 2022 für alle neuen Fahrzeugtypen EU-weit Pflicht. Doch was geschieht mit den Lkw, die bereits auf den Straßen rollen? Immerhin kostet das Nachrüsten eines elektronischen Abbiegeassistenten 800 bis 1300 Euro – das ist vor allem unter Fuhrparkgesichtspunkten eine enorme Summe für die unter Kostendruck stehenden Spediteure. Freiwillige Selbstverpflichtungen der Branche sind ein Anfang, doch auch hier ist die Politik gefragt, und eine gesetzliche Pflicht kann nur auf Ebene der Europäischen Union eingeführt werden. Leider lässt diese laut Plänen der EU-Kommission bis zum Jahr 2022 auf sich warten.
Jetzt und nicht erst morgen handeln
Die Experten für Fahrerassistenzsysteme arbeiten intensiv an den kommenden Generationen des Rechtsabbiegeassistenten für Lkw. Schon heute bietet Continental radarbasierte Systeme serienreif an, mit denen Fahrer von Nutzfahrzeugen gewarnt werden, sobald sich im toten Winkel Fußgänger oder Radfahrer aufhalten. Dabei ermittelt das System über Radarsensorik, ob sich ein Verkehrsteilnehmer im Gefahrenbereich des Fahrzeuges befindet, und warnt den Fahrer vor einem potenziellen Zusammenstoß. Der Kraftfahrer wird durch zwei Warnsignale auf das Risiko aufmerksam gemacht, so dass etwaige Kollisionsgefahren umgehend erkannt und gebannt werden können.
Unsere Vision Zero mit dem Ziel von null Unfällen gilt auch für den Güterverkehr.
Schon bald werden die innovativen Assistenzsysteme mit zusätzlichen Kameras und auch durch den Einsatz künstlicher Intelligenz weiter verstärkt. Dazu entwickelt das Continental Computer Vision Lab neue Softwaretechnologien und Algorithmen: Maschinelles Lernen, neuronale Vernetzungen und neue bildgebende Verfahren werden zukünftig dazu beitragen können, herannahende Radfahrer oder Fußgänger viel früher zu erkennen und deren Absichten zu antizipieren. Dies steigert einerseits die Sicherheit insgesamt und andererseits die Akzeptanz bei den Fahrern.
Alle sprechen vom Lkw – wir auch vom Pkw
Vision Zero, der Traum vom unfallfreien Fahren, betrifft über den Lkw hinaus alle Verkehrsteilnehmer: Daher unterstützt der Continental Rechtsabbiegeassistent auch Autofahrer in der oft unübersichtlichen Situation des Rechtsabbiegens und schützt andere Verkehrsteilnehmer, die sich im Bereich rechts neben dem Fahrzeug aufhalten. Damit leistet die Technologie bereits jetzt, was in Euro NCAP-Sicherheitsszenarien erst ab 2022 verlangt wird: Die weitere Verbesserung des Schutzes für Fußgänger und Radfahrer. Rechtsabbiegeassistenten in Pkw, so ergab eine Auswertung der Continental-Unfallforschung, könnten 5 Prozent aller Unfälle mit getöteten oder schwerverletzten Radfahrern in Deutschland (in Japan 7 Prozent, in den USA 8,5 Prozent aller Unfälle mit getöteten Radfahrern) und weitere 6 Prozent der Unfälle, bei denen Radfahrer leicht verletzt werden, verhindern helfen.
Nichts entgeht den Radar-Augen
Ein neuer Nahbereichs-Radar erfasst das Umfeld des Fahrzeugs ab sofort noch präziser. Vier Radarsensoren an den vier Karosserieecken ermöglichen die nahezu lückenlose 360-Grad-Umfeldüberwachung des Fahrzeugs – und sind gerade in unübersichtlichen Situationen im Stadtverkehr eine wertvolle Hilfe. Dahinter steckt ein echter Entwicklungssprung: Anstelle der bislang verwendeten 24-Gigahertz (GHz)-Technologie arbeitet die neue Radargeneration mit 77 GHz. Dadurch kann der Radarsensor die Umgebung in einer deutlich höheren Auflösung und Trennschärfe als bisher erkennen. Auch Bewegungsrichtungen und Geschwindigkeiten kann der 77-GHz-Sensor exakter berechnen. Erkennen die Radarsensoren beim Abbiegen einen rechtsseitig geradeaus fahrenden Radfahrer, wird der Pkw-Fahrer zunächst akustisch oder optisch gewarnt. Sollte der Fahrer dann immer noch nicht reagieren, kann das System das Auto per Impuls an die Bremse sogar stoppen, um einen Zusammenprall zu verhindern. Die Komponenten des neuen Sensorsystems benötigen noch weniger Bauraum als der Vorgänger: Dadurch ist der Einbau dieser Technologie nicht mehr nur der Oberklasse vorbehalten, sondern auch in Fahrzeugen der Kompaktklasse problemlos möglich.
Auch Ausweich-Assistenzsysteme sind realistisch
Die hochauflösende Umfelderfassung ist die Grundlage für weitere zukünftige Assistenzsysteme rund um Vision Zero. Mit den Daten der neuen Radar-Generation lässt sich auch ein Ausweichassistent realisieren: Dieser weiß aufgrund des rundum erfassten Umfelds des Fahrzeugs exakt, welche anderen Verkehrsteilnehmer in welcher Richtung mit welcher Geschwindigkeit in der Nähe sind und kann die Lenksignale entsprechend beeinflussen. So lenkt das System bei einem plötzlichen Ausweichmanöver das Fahrzeug dorthin, wo keine Kollision droht.
Linksabbiegeassistent für Landmaschinen
Immer wieder sind landwirtschaftliche Zugmaschinen in schwere Unfälle verwickelt. Kein Wunder: Traktoren oder Mähdrescher, die für schweres Terrain konstruiert wurden, sind tatsächlich zu rund einem Drittel ihrer Betriebszeit auf öffentlichen Straßen unterwegs. Dort sind sie für andere Verkehrsteilnehmer aufgrund ihrer oft extremen Längen, ihrer Überbreiten oder ihres geringen Tempos oft schwer im Fahrverhalten einzuschätzen. Meist ist außerdem der tote Winkel größer und die Rundumsicht nicht optimal. Vor allem das Abbiegen nach links über die Gegenspur hinweg gilt als riskant: Um hier mehr Sicherheit zu ermöglichen, hat Continental den bisher weltweit einzigartigen Linksabbiegeassistenten entwickelt. Basierend auf Radartechnologie, kann das einfach zu installierende System sich von hinten nähernde Fahrzeuge auf eine Entfernung von bis zu 250 Metern erkennen – unabhängig von Wetter- und Lichtverhältnissen. Droht eine kritische Situation beim Abbiegen, wird der Fahrer der Landmaschine durch ein akustisches oder optisches Signal gewarnt. Auf diese Weise kann der Verkehr die Zugmaschine gefahrlos passieren und der Landwirt erreicht sicher sein Feld.
An der intelligenten Kreuzung in Walnut Creek
In den USA ereignen sich laut einer Datenerhebung des US-amerikanischen Verkehrsministeriums mehr als die Hälfte aller Unfälle, die zu Verletzten führen, an Kreuzungen. Wenn Menschen oder Fahrzeuge beim Abbiegen übersehen werden, heißt es in der Regel: menschliches Versagen. Gefährdet sind vor allem Fußgänger und Zweiradfahrer in der dunklen Jahreszeit. Um die Sicherheit rund um Kreuzungen zu erhöhen, betreibt Continental seit mehr als einem Jahr eine umfangreiche Pilotanlage, mit der eine intelligente Kreuzung im kalifornischen Walnut Creek getestet wird.
Hard- und Softwarelösungen für Notbremssysteme können für Infrastrukturanwendungen weiterentwickelt werden. Dafür nutzen wir auch das Internet der Dinge.
Die intelligente Kreuzung erzeugt mit diversen Sensoren und leistungsfähigen Algorithmen ein vollständiges Abbild ihres Umfelds und ermöglicht den Informationsaustausch mit eingebundenen Fahrzeugen. Auf diese Weise, kann ein sich nähernder Fahrer gewarnt werden, wenn Fußgänger die Kreuzung außerhalb seines Sichtfeldes überqueren wollen. Oder Rechtsabbieger werden über von links kommende Fahrzeuge informiert. Oder Linksabbieger werden auf entgegenkommende Fahrzeuge hingewiesen, die zuvor nicht sichtbar waren. Darüber hinaus lassen sich die generierten Daten verwenden, um den Verkehrsfluss zu optimieren und um Emissionen sowie Stillstandzeiten im Kreuzungsbereich zu verringern. So lassen sich schon heute an einer intelligent vernetzten Kreuzung Sicherheitsaspekte und ökonomische Vorteile miteinander verbinden.