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      Andree Hohm (l.) and Björn Filzek

      Die automobile Zukunft (3. Teil): Es ist Zeit zu handeln

      In puncto automatisiertes Fahren steht man nun vor einem Dilemma: Was geschieht, wenn die Technologie zwar praxisreif, aber per Gesetz noch verboten ist? Im dritten Teil unseres Tech Talks richten die Experten Andree Hohm und Björn Filzek einen dringenden Appell an die Regierungen.

      In Bezug auf die Fortschritte im Bereich automatisiertes Fahren ist bei Ingenieuren eine merkliche Ungeduld zu verspüren. Bereits heute stehen viele Fahrzeughersteller mit Funktionen oder Software-Updates in den Startlöchern, die ihren Fahrzeugen ein neues Maß der Automatisierung verleihen. Die rechtliche Situation rund um diese Neuentwicklungen wird jedoch noch kontrovers diskutiert. Und das ist nicht das einzige Problem, das die Ingenieure dazu veranlasst, einen Appell an die Politik zu richten.

      Automatisierte Fahrzeuge werden erst auf die Straße gelangen, wenn der entsprechende rechtliche Rahmen dafür geschaffen ist. Die Regulierungstätigkeiten erfolgen in den verschiedenen Ländern unterschiedlich schnell. Sehen Sie die Gefahr, dass Europa hinter die USA oder Asien zurückfällt?

      Hohm: Ich glaube nicht, dass wir uns diesbezüglich Sorgen machen müssen. In Nordamerika gibt es einige Staaten, in denen die Regulierung schnell vorangetrieben wurde und die mit großem Mut Rahmenbedingungen geschaffen haben, die sehr vorteilhaft für die Entwicklung des automatisierten Fahrens sind. Das sind großartige Beispiele, die uns in Europa als Impuls dienen sollten, dasselbe Tempo sowie denselben Mut und Pragmatismus an den Tag zu legen. Es ist sicherlich noch nicht zu spät, diese Länder einzuholen. In Deutschland gab es in jüngster Zeit sehr vielversprechende politische Initiativen. Aber wir müssen dafür sorgen, dass diese Initiativen nicht in guten Absichten steckenbleiben. Es ist Zeit zu handeln!

      „RECHTLICHE EINSCHRÄNKUNGEN STELLEN DAS GRÖSSTE HEMMNIS DAR“

      Was wird von den Regierungen gefordert? Was ist das drängendste Anliegen?

      Filzek: Tatsächlich stellen die rechtlichen Einschränkungen das größte unmittelbare Hemmnis dar. In Deutschland ist es beispielsweise verboten, ein automatisiertes Lenksystem bei Geschwindigkeiten über 10 km/h zu verwenden. Das ist ein Problem, das etwa in Nevada nicht besteht. Und das muss sich ändern. Diese Änderungen müssen europaweit erfolgen. Es ist nicht sehr hilfreich, wenn die automatisierte Fahrt stets an der Landesgrenze endet.

      Hohm: Darüber hinaus müssen die Straßenverkehrsvorschriften an die neue Technologie angepasst und Haftungsfragen geklärt werden. Ich sehe die Politik in der Pflicht, die Grundlagen für die Einführung einer Technologie zu schaffen, die viele Vorteile für die Gesellschaft birgt.

      „POLITISCHE PROZESSE MÜSSEN MIT DEM TEMPO DER TECHNOLOGISCHEN ENTWICKLUNG SCHRITT HALTEN.“

      Warum fällt das den Politikern denn noch so schwer?

      Hohm: Das Tempo der technologischen Entwicklung hat sich in den letzten Jahren enorm erhöht. Allerdings wurden die politischen Prozesse zur Regulierung dieser Entwicklung noch nicht an das neue Tempo angepasst. Genauso wie sich die Technologie weiterentwickelt, müssen sich auch die Regulierungsprozesse weiterentwickeln. Seitens der Politik muss eine schnelle und pragmatische Gesetzgebung ermöglicht werden.

      Die Regierungen müssen nicht nur für die entsprechende Regulierung sorgen. Wie sieht es mit der zugehörigen Infrastruktur aus?

      Filzek: Das ist ein weiterer wichtiger Punkt. Soll ein Fahrzeug autonom fahren, muss auch die Verkehrsinfrastruktur verbessert werden. Ein Beispiel hierfür ist eine lückenlose Verfügbarkeit des Highspeed-Internetzugangs, um eine stabile Anbindung des Fahrzeugs an den Server zu gewährleisten. In Bezug auf Fahrbahnmarkierungen und Straßenschilder müssen bestimmte Anforderungen erfüllt werden. Wir müssen den Infrastrukturelementen auch eine aktive Kommunikation mit dem Fahrzeug ermöglichen. Fahrzeug-zu-X-Kommunikation ist hier der Schlüsselbegriff.

      Hohm: Deutschland hat mit einer großartigen Initiative, dem digitalen Testfeld auf der Autobahn A9 in Bayern, auf der diese Technologien unter realen Bedingungen erprobt werden können, einen Schritt voran gemacht.

      AUTONOME FAHRZEUGE: DIE FRAGE LAUTET NICHT „OB“, SONDERN „WANN“.

      Wie sieht es mit der Förderung von Talenten aus? Müssen wir Veränderungen im Bildungswesen herbeiführen, damit das automatisierte Fahren Wirklichkeit wird?

      Hohm: Absolut. Heute basieren 80 % der Innovationen in einem Fahrzeug auf Software und Algorithmen. Daher benötigen wir weitaus mehr Softwareentwickler als das vor 20 Jahren der Fall war. Dies ist ein dringender Aufruf an die Universitäten, ihre Programme an diese neuen Anforderungen anzupassen. Ihre Aufgabe besteht nicht nur in der Forschung, sondern auch in der Ausbildung von Fachleuten. Natürlich ist hierfür die Unterstützung der Regierungen gefragt. Sie müssen die Modernisierung der Bildungspläne angesichts der veränderten Gewichte in der Industrie unterstützen. Dies müssen wir in Europa genau beobachten, wenn wir nicht gegenüber anderen Teilen der Welt zurückfallen wollen.

      Wir sind am Ende unseres Gesprächs angekommen. Eine letzte Frage. Blicken Sie einmal in die fernere Zukunft: Wann werden vollständig autonome Fahrzeuge auf unseren Straßen unterwegs sein, ohne dass eine menschliche Interaktion erforderlich ist? Werden Sie und ich das noch erleben?

      Filzek: Die Frage ist nicht länger, ob das überhaupt geschehen wird, sondern wann es geschehen wird. Aber es wird wahrscheinlich mehr als 15 Jahre dauern.

      Hohm: In bestimmten Fällen, beispielsweise auf Autobahnen, wird die Technologie früher zum Einsatz kommen. Aber ich stimme mit Björn Filzek überein, dass wir erst nach dem Jahr 2030 Fahrzeuge sehen werden, die in jeder Situation vollständig autonom fahren. Erleben werden wir es auf jeden Fall noch! Dazu bin ich jedenfalls fest entschlossen!

      Sie finden das Originalinterview auf der Website 2025AD.com . 
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