Weiter als das Auge reicht
- Das AR-HUD ermöglicht eine neue Qualität der ganzheitlichen Mensch-Maschine-Schnittstelle im Fahrzeug
- Der Blick auf die Straße und der erweiterte Horizont eines Fahrzeugs können künftig verschmelzen
- Automatisiertes Fahren und AR-HUD bilden eine ideale Kombination
Babenhausen, 21. Juli 2014. Was der internationale Automobilzulieferer Continental jüngst in seinem Demonstratorfahrzeug als sogenanntes Augmented Reality Head-up-Display (AR-HUD) vorstellte, hat das Zeug für eine Revolution im Autocockpit: Hier „zeigt“ das Auto dem Fahrer erstmals – eingebettet in die reale Welt – nicht nur mögliche Gefahren, es „hilft“ ihm auch in einer ganz neuen Form, sich im Verkehrsgeschehen zurecht zu finden. Durch die Einbettung virtueller Hinweise (= Augmentierungen) in die reale Außenansicht erkennt der Fahrer intuitiv die Bedeutung dessen, was er da vor sich sieht. Damit geht des AR-HUD weit über die Funktion des heutigen Head-up-Displays hinaus. Es wird eine wichtige Rolle in künftigen Mensch-Maschine-Schnittstellen (Human Machine Interfaces, HMIs) übernehmen.
„Ein HUD auf dem heutigen Serienstand ist ein hervorragender Informationsfilter. Es rückt sinnvoll ausgewählte und auf ein Minimum reduzierte Informationen dicht an die Blickrichtung des Fahrers“, so Guido Meier-Arendt, leitender HMI Experte der Continental Division Interior. „Gerade in anspruchsvollen Verkehrssituationen befreit das den Fahrer von so manchem Blick nach unten auf sein Kombi-Instrument oder die Mittelkonsole. Er kann das Verkehrsgeschehen ständig im Auge behalten“, so Meier-Arendt weiter. „Die bewährte Philosophie des HUD, nur ausgewählte Informationen zu zeigen, behalten wir im AR-HUD bei. Aber die Informationsqualität ist ungleich größer.“
Im AR-HUD Demonstratorfahrzeug sind drei Anwendungen als Beispiele umgesetzt: Lane Departure Warning (LDW), Adaptive Cruise Control (ACC) und Navigation. Ihre jeweiligen Hinweise werden passgenau in den Straßenverlauf eingespiegelt. Damit ergänzen sie die Realität um kommentierende Hinweise. Das ist zwar an sich schon eine Revolution, aber gleichzeitig erst der Anfang einer neuen Interaktion mit dem Fahrer.
Die Rolle des AR-HUD im ganzheitlichen HMI
„Das Kombi-Instrument hat damit keineswegs ausgedient“, so Meier-Arendt, „Es wird nach wie vor gebraucht, denn es bietet unverändert den wichtigsten Überblick über alle Fahrzeugfunktionen. Es wäre ergonomisch gesehen völliger Unsinn, eine solche Fülle an Information ständig in die Frontscheibe einzuspiegeln und damit die Außenansicht zu überdecken. Dieses Informationsangebot ist im Kombi-Instrument genau am richtigen Platz. Die steigenden Anforderungen an das HMI im Auto erfordern aber eine Ergänzung.“
Schon länger arbeitet Continental daran, das HMI so weiter zu entwickeln, dass es die Herausforderungen vieler aktueller Trends verkehrsgerecht unterstützen kann: den Einzug der Unterhaltungselektronik und des Internets ins Auto und der damit einher gehenden Änderung der Nutzererwartung; immer mehr sensorbasierte Fahrerassistenzsysteme, die eine Schnittstelle zum Fahrer benötigen; die steigende Verkehrsdichte und der zunehmende Informationsbedarf über Staus und Ausweichmöglichkeiten; zunehmende Elektromobilität und ihr ganz spezieller Informationsbedarf; und schließlich das automatisierte Fahren, das gänzlich neue Anforderungen an das HMI mit sich bringt. Um alle diese Möglichkeiten und Funktionen für den Fahrer beherrschbar zu machen, genügt es nicht mehr, jede einzelne Funktion starr einem Display zuzuordnen.
„In einem ganzheitlichen HMI werden solche starren 1:1-Bezüge aufgelöst. Stattdessen entscheiden die Verkehrssituation und die Verfassung des Fahrers darüber, welche Information wann und wo am besten verarbeitet werden kann“, so Meier-Arendt. „Das AR-HUD ist ein neuer Baustein eines ganzheitlichen HMI – und es ist wie kein anderes Element geeignet, den Fahrer dort abzuholen, wo seine Aufmerksamkeit sein sollte: beim Verkehrsgeschehen.“
Optionen der Augmentierung mit eHorizon
Im Continental Demonstratorfahrzeug ergänzt das AR-HUD die Realität um grafische Hinweise, die passgenau in die reale Außenansicht eingefügt werden. Das ist sozusagen die „reine Lehre“ der Augmentierung: Hinweis und Realität verschmelzen nahtlos und perspektivisch passgenau. Nun gibt es jedoch Fahrsituationen, in denen es sinnvoll sein kann, von der „reinen Lehre“ der Augmentierung abzuweichen. Verfügt ein Fahrzeug beispielsweise über einen eHorizon, dann können im AR-HUD auch Informationen eingespiegelt werde, die über die Sichtweite des Fahrers hinausgehen. Nähert sich das Fahrzeug beispielsweise einer Kreuzung mit Stoppstelle, die hinter einer Kurve liegt, so kann das dem Fahrer frühzeitig in Fahrtrichtung angezeigt werden. „Das ist keineswegs nur eine Frage der Sicherheit. Auch die Umwelt profitiert, wenn der Fahrer rechtzeitig vom Gas geht.“
Mit dem elektronischen Horizont (eHorizon) nutzt man das Wissen über die aktuelle Fahrzeugposition. Informationen über die vorausliegende Strecke und deren Topografie werden in wichtigen Steuergeräten wie dem Motorsteuergerät, der Getriebesteuerung und in Fahrerassistenzsystemen verarbeitet, um deren jeweiligen Funktion zu optimieren. Das AR-HUD bietet nun die Möglichkeit, dem Fahrer im richtigen optischen Kontext zu „sagen“, was sein Fahrzeug für ihn „tun“ kann, beziehungsweise, was es ihm „empfiehlt“. „Schon an den Formulierungen merkt man, worum es hier geht“, so Meier-Arendt, „das Fahrzeug wandelt sich zu einem Coach und digitalem Begleiter, der mit dem Fahrer in Interaktion tritt und ihn situationsbezogen unterstützt.“
Automatisiertes Fahren und AR-HUD
Dieser neue Coach spielt auch für den weltweiten Trend zum automatisierten Fahren eine Rolle. Denn das automatisierte Fahren bringt neben der Erleichterung für den Mensch am Steuer auch eine neue Aufgabenstellung mit sich: Sobald der Fahrer die Längs- und Quersteuerung für ein bestimmtes Fahrmanöver oder einen Streckenabschnitt an sein Fahrzeug abgegeben hat, wird er vom „Macher“ zum „Überwacher“. Damit ändert sich sein Informationsbedarf. So will der Fahrer beispielsweise wissen, welche Fahrzeuge, Objekte und/oder Fahrbahnmarkierungen sein Auto eigentlich „sieht“. Nur so kann der Fahrer Vertrauen in innovative Fahrzeugfunktionen entwickeln. „Aus heutiger Sicht gibt es dafür keine bessere Möglichkeit als das AR-HUD. Hier sieht der Fahrer im direkten Kontext, welches vorausfahrende Fahrzeug von seinen Bordsystemen erkannt wird. Diese unmittelbare optische Bestätigung ist eine wichtige Rückmeldung.“
Mindestens genauso wichtig ist die umgekehrte Situation: Wenn eine Phase automatisierten Fahrens zu Ende geht, dann muss der Mensch die Fahrzeugführung wieder selbst übernehmen. Dazu muss er wieder in die Rolle des „Machers“ zurückfinden und die Verkehrssituation erfassen, damit er weiß, was zu tun ist. „Auch hier ist das AR-HUD ein ergonomisch wichtiges Verfahren, dem Fahrer im richtigen Kontext zu zeigen, was von ihm erwartet wird.“