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      Interview

      Leo Kolodziej

      Leiter OE Lkw- und Busreifen EMEA bei Continental

      Spritsparpotenzial allen Flotten zugänglich machen

      Was erwarten Fahrzeughersteller heute von Nfz-Reifen?

      Die Weltgemeinschaft hat sich mit dem Pariser Klimaabkommen darauf verständigt, die globale Erderwärmung auf unter zwei Grad zu beschränken. Europa strebt mit dem European Green Deal die Klimaneutralität an. Das erfordert die größte Umstellung der globalen Wirtschaft, die es je gegeben hat. Eine der ersten Maßnahmen war ein verbindliches CO2-Reduktionsziel für Fahrzeughersteller, um CO2-optimierte Lkw auf den Markt zu bringen. Damit haben Erstausrüster eine Führungsrolle im Wandel der Transportindustrie bekommen. 

      Welche Anforderungen leiten sich daraus für Nfz-Reifen ab?

      Die Transportindustrie ist getrieben von starkem Wettbewerb, einem großen Kostendruck und anspruchsvollen Kunden. Daher ist die Gesamtwirtschaftlichkeit bei bestmöglicher Effizienz, die Total Cost of Ownership (TCO), für alle von zentraler Bedeutung. Wir von Continental haben Tools für die TCO-Bewertung unserer Reifen entwickelt. Der wichtigste Zusammenhang besteht zwischen Rollwiderstand und Laufleistung. Daher sind CO2-Reduzierung und TCO kein Widerspruch, sondern bedingen sich gegenseitig. Erstausrüster bewerten heute die Vorteile eines geringen Rollwiderstands in den TCO bereits höher als Flottenbetreiber und setzen daher schon jetzt stärker auf rollwiderstandsoptimierte Reifen. 

      Welchen Beitrag leistet der Conti Eco Gen 5 zum European Green Deal?

      Heute entstehen etwa 89 Prozent des CO2-Ausstoßes während der Nutzungsphase der Reifen. Diesen Anteil können wir nur senken, indem wir den Rollwiderstand reduzieren. Eine Rollwiderstandsreduzierung bedeutet Kraftstoffeinsparung, CO2-Reduzierung und gleichzeitig eine Kosteneinsparung. Der Conti Eco Gen 5 ist ein Beispiel dafür. Wir haben den Rollwiderstand deutlich verbessert, und zwar bei gleicher Laufleistung. Das ist nicht nur eine Performanceverschiebung, sondern ein echter Performancesprung. Auch jenseits der Nutzungsphase sind wir dabei, die Nachhaltigkeit von Reifen zu erhöhen, bei den Lieferketten, den Materialien und der Entsorgung. 

      Welchen Mehrwert bietet der Conti Eco Gen 5 den Fahrzeugherstellern?

      Das Highlight ist sicherlich die Rollwiderstandsoptimierung dieser Produktlinie und die damit einhergehende TCO- und CO2-Optimierung. Wir haben es geschafft, ein Profil für den Regionalverkehr mit den Vorteilen bei Robustheit und Traktion auf das Rollwiderstandsniveau einer Fernverkehrs-Reifenlinie zu bringen – ohne Laufleistungseinbußen. Damit sehen wir uns beim Thema TCO und CO2 als Benchmark für das Regionalsegment und als Vorreiter bei der Transformation zu einer nachhaltigeren Transportindustrie. Der neue Reifen wird einen signifikanten Einfluss auf den Kraftstoffverbrauch und den CO2-Ausstoß haben. Er ist der Reifen, der Kraftstoffeinsparung für alle Flotten möglich macht.

      Wie hängen TCO und Nachhaltigkeit bei Nfz-Reifen zusammen?

      Nachhaltigkeit und CO2-Reduktion stehen beim European Green Deal im Fokus. Das Ziel ist die CO2-Neutralität bis 2050. Um das zu erreichen, haben sich Fahrzeughersteller hohe Umweltziele und einen anspruchsvollen Zeitrahmen gesteckt. Erstausrüster (OEM) arbeiten im Hinblick auf die Einsatzzeit eines Lkw von rund zehn Jahren mit mehr Vorlaufzeit. Für OEMs bedeutet die CO2-Neutralität des Transportsektors bis 2050, dass sie ihre Fahrzeuge inklusive aller zugelieferten Bauteile bis 2040 CO2-neutral haben müssen. Reifen leisten hier einen erheblichen Beitrag. 

      Was bedeutet das für die Reifenentwickler von Continental?

      Die Transformation zu einer grüneren Transportindustrie bedeutet einen Technologiesprung, wie ihn die Industrie seit Jahrzehnten nicht mehr erlebt hat. Wir haben jetzt die Möglichkeit, den Wandel mitzugestalten und einen messbaren Einfluss auf den CO2-Ausstoß zu erzeugen. Wir von Continental haben den durchschnittlichen Rollwiderstand im Reifensegment Goods bei den OEMs innerhalb der vergangenen drei Jahre um etwa 15 Prozent gesenkt. Im Fernverkehr ist es uns gelungen, den durchschnittlichen Rollwiderstand innerhalb der letzten zehn Jahre um 26 Prozent zu reduzieren. Das gleiche gilt auch für den Conti Eco Gen 5.

      Welche weiteren Trends sehen Sie für die Zukunft?

      Aus technologischer Sicht wird es spannend, wie schnell und wie weit sich die OEMs als Mobilitätsanbieter einbringen werden und Fahrzeugoptimierungen vorantreiben. Sie haben den größten Hebel, um Fahrzeugabstimmungen dynamisch anzupassen und dabei auch kraftstoffsparende Reifen zu integrieren. Hier ist technisch noch sehr viel möglich, ganz besonders im Bereich der digitalen Lösungen und der Sensortechnologie. Ich freue mich auf die nächsten Jahre, weil es eine spannende und dynamische Zeit wird und gleichzeitig eine, in der wir einen großen Beitrag zur CO2-Reduzierung leisten können.

      Welche Bedeutung haben Laufleistung und Rollwiderstand für Flottenbetreiber?

      Für unsere Flottenkunden ist heute die Lebensdauer eines Reifens häufig noch das primäre Kriterium zur Effizienzbewertung von Reifen. Diese Perspektive ist aber nur wenig ganzheitlich. Denn Reifen, die auf Laufleistung optimiert sind, haben höhere Rollwiderstandswerte und damit höhere Kraftstoffkosten und CO2-Emissionen. Viel zielführender ist die TCO-Betrachtung.

      Welche Bedeutung haben Reifen für alternative Antriebe beim European Green Deal?

      Der Wandel zu Zero-Emission Vehicles (ZEV), also zur Elektrifizierung der Flotten, hat begonnen. In Zukunft werden überwiegend ZEVs gebaut. Damit verliert die Reifennutzungsphase im Hinblick auf CO2 an Bedeutung. Andere Kriterien werden wichtiger, wie alternative Rohstoffe, CO2-freie Lieferketten und CO2-freie Produktionen. Das gilt auch für das Lieferkettengesetz und die EU-Entwaldungsverordnung. Es ist enorm wichtig, dass wir ganzheitlich auf die Dinge schauen.

      Welche Reifeneigenschaften werden zukünftig wichtig in der Lkw-Erstausrüstung?

      Das ist eine sehr spannende Frage. Für die nächsten fünf bis zehn Jahre, solange der Großteil der Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren betrieben wird, wird der Schwerpunkt auf Rollwiderstandsoptimierung liegen, weil das der größte TCO- und CO2-Hebel ist. Mit dem Wandel zu ZEVs und einer stärkeren Kreislaufbetrachtung werden weitere Aspekte eine Rolle spielen. Gerade im Bussegment sehen wir den Wandel zu ZEVs schneller voranschreiten als bei den Lieferfahrzeugen. 2023 waren bereits 42 Prozent aller neu registrierten Stadtbusse emissionsfrei. 

      Welche Rolle werden nachhaltige Materialien im Lkw-Segment spielen?

      Beim Thema Materialien werden Runderneuerungskonzepte weiter an Bedeutung gewinnen. Sie sind die Lösung, Materialien lange im Lebenszyklus zu halten, den Materialeinsatz zu reduzieren und Wiederverwendungsansätze wie die Pyrolyse zu nutzen.

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