Hochleistungsrechner – Scheinriese oder echter Gigant?
Der Softwareexperte Dr. Karsten Michels arbeitet mit seinen Fachleuten an neuen Lösungen und Innovationen, die Softwareanwendungen im Fahrzeug vereinfachen und effizienter machen können. Das ist wichtig. Denn Software ist auf dem Vormarsch. Während 2013 lediglich zehn Prozent der Funktionen eines Neuwagens per Software gesteuert wurden, werden es 2023 voraussichtlich 40 Prozent der Funktionen sein. Continental-CEO Nikolai Setzer bekräftigt: „Software ist der Sauerstoff der Industrie.“ „Mehr als 90 Prozent der Innovationen im Automobil kommen schon heute aus der Softwareentwicklung“, bestätigt Michels.
Für die Industrie ist Software auch ein einträgliches Geschäft mit validen Wachstumspotenzialen: Der Statistikdienst Statista sagt der Software im Automotive-Bereich ein starkes Wachstum voraus. So soll sich der globale Softwareumsatz der Autoindustrie einer Prognose von 2019 zufolge von 20 Milliarden US-Dollar im Jahr 2020 auf mehr als 50 Milliarden US-Dollar im Jahr 2030 erhöhen.
Continental hat den Trend frühzeitig erkannt und Kapazitäten wie Expertise aufgestockt: Im Software-Powerhouse von Continental arbeiten – Stand heute – rund 20.000 Software- und IT‑Experten mit neuesten Methoden und zum Teil speziell für Continental entwickelten Werkzeugen an der Software für die Fahrzeuge der nächsten Generation. Allein für die Entwicklung des ICAS1, eines Hochleistungsrechners für das neue Volkswagen-Elektromobil ID.3, wurden bis zum Serienstart Arbeitsstunden im einstelligen Millionenbereich investiert. „Daten und Funktionen werden in den Fahrzeugen, die wir nun konzipieren, zentral von intelligenten Hochleistungsrechnern gemanagt“, erläutert Michels. Continental konzipiert verschiedene Hochleistungsrechner: für Fahrerassistenzsysteme, das Onboard-Infotainment sowie alle sicherheitsrelevanten Fahrzeug- und Fahrwerksfunktionen.
Diese High-Performance-Computer (HPCs) passen in etwa auf eine DIN-A4-große Platine und dienen als Server, der die gesamte Datenkommunikation bündelt. Die Datenautobahn, über die ein HPC im Elektroniknetzwerk kommuniziert, ist deswegen um ein Vielfaches schneller als Standardleitungen. Das geht einher mit wachsenden Datenvolumina: Die benötigte Rechenleistung, um diese Daten schnell oder sogar nahezu in Echtzeit verarbeiten zu können, erhöht sich pro Auto von 2015 bis 2030 voraussichtlich um den Faktor 50, wie Continental-Experten errechnet haben.
Trotz der gestiegenen Datenmenge steht das Ziel von Michels und seinem Team fest: „Komplexität aus dem Gesamtsystem zu nehmen und das Fahrzeug zum sicheren Smartphone auf Rädern zu machen.“ Ähnlich einem Handy können sich Nutzer Apps und Dienste ihrer Wahl auf das Auto laden, neue Sicherheits- und Fahrfunktionen problemlos installieren. Wie in einem elektronischen Gehirn laufen bei den HPCs alle Fäden zusammen. Dank der neuen Server-Architektur werden Fahrzeuge einfacher und reagieren schneller. Das trägt zu höheren Funktionsumfängen und mehr Komfort im Fahrzeug bei. Und das funktioniert zu großen Teilen drahtlos über das Mobilfunknetz oder WLAN – ohne einen Besuch in der Werkstatt. Zehn Gigabit pro Sekunde werden im Auto-Ethernet der neue Standard. Schließlich können zeitkritische Informationen über das Mobilfunknetz der vierten oder fünften Generation in wenigen Millisekunden zwischen den Fahrzeugen übertragen werden.
Ein Beispiel zeigt, wie neue Hochleistungsrechner ein Fahrzeug mittels Software verbessern: das Elektroauto ID.3 von Volkswagen. Es hat zwei HPCs an Bord. Der Body-High-Performance-Computer, als InCar Application Server mit dem Kürzel ICAS1 getauft, stammt von Continental. Er managt die Funktionsvielfalt, die Datenströme im Auto und verriegelt die Daten gegen unberechtigten Zugriff. Der Hochleistungsrechner beinhaltet etwa 20 Millionen Zeilen Code und ermöglicht eine Fülle von Funktionen im Fahrzeug. Das reduziert das Kabelvolumen und sorgt für weniger Bauraumbedarf. So spart der Hersteller Kosten, während das Fahrzeug immer moderner wird. Außerdem ermöglicht der HPC drahtlose Updates der Software im gesamten Fahrzeug – wie bei einem Smartphone.
Doch der häufig zitierte Smartphone-Vergleich hinkt an einer entscheidenden Stelle: Denn im schlimmsten Fall reicht beim Handy ein Neustart aus. Eine nicht funktionierende App ist das größtmögliche Problem. Im Auto drohen ernstere Gefahren, schließlich geht es um Menschenleben. Zusätzlich gibt es gesetzliche Regularien, die erfüllt werden müssen. Deswegen setzt Continental auf höchste Sicherheitsstandards. Gemeinsam mit Elektrobit (EB) und PlaxidityX (ehemals Argus Cyber Security Ltd.) bietet Continental vielschichtige Gesamtlösungen für eine maximale Cybersicherheit im Fahrzeug über die gesamte Lebensdauer hinweg. Auch Fahrsicherheit ist Continental wichtig: „Bei sicherheitsrelevanten Themen ist Schnelligkeit nicht das drängendste Ziel, da gehen wir keine Kompromisse ein“, sagt Dr. Thorsten Köhler, Leiter Innovation Management bei Continental Automotive.
Während Kritiker die Kapazitäten heutiger HPCs bemängeln, zahlt sich die Entwicklung der Software-Superhirne für Continental bereits aus. Intelligente Hochleistungsrechner sind für die Hannoveraner mit einem Umsatz von heute über vier Milliarden Euro bereits zu echten Giganten geworden.
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